Menschen für Menschen beginnt neues Projekt in Südäthiopien |
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08.07.2025, Das Volk der Gedeo in Äthiopien hat ein einzigartiges Agrarsystem geschaffen. Doch unter dem grünen Blätterdach wächst die Not: Das Land kann nicht mehr alle Familien ernähren. Menschen für Menschen hilft jetzt, den Hunger zu beenden - als erstes und einziges Hilfswerk im Bezirk Raphe im Süden Äthiopiens. Mit Saatgut, landwirtschaftlichem Wissen - und Aufklärung.
Über die Hänge verteilt stehen Baumriesen, deren dunkles Blätterdach die Ensete überragt - Riesenstauden, die an Bananenpflanzen erinnern. Auch ihre mannshohen, stärkereichen Blätter recken sich der Sonne entgegen. Daraus machen die Menschen Kotcho, das Grundnahrungsmittel Südäthiopiens.
Im Schatten von Bäumen und Stauden gedeihen Kaffeesträucher, am Boden wachsen Mangold, Bohnen, Kartoffeln, Kohl. Diese Wald- und Landwirtschaft in Stockwerken, wie sie das Volk der Gedeo betreibt, gilt als so einzigartig, dass die UNESCO sie zum Welterbe erklärte.
Doch das traditionelle System ist an seine Grenzen gestossen - es kann die Menschen nicht mehr ernähren. Denn die Bevölkerung wächst rasant. Raphe ist mit 162 Quadratkilometern so gross wie der Kanton Appenzell Innerrhoden, hat aber sechsmal so viele Einwohner: rund 98'000. Von Generation zu Generation besitzen die Familien weniger Land. Drei von zehn Haushalten müssen mit weniger als einem Viertel Hektar auskommen - das ist nicht einmal ein Drittel eines Fussballfelds.
Kinder schlafen hungrig ein
So verbirgt sich in Raphe unter dem Mantel der üppigen Landschaft eine überraschende Not. Dies zeigte eine Basisstudie von Menschen für Menschen mit 377 Familien zu den Lebensumständen im Bezirk. Neun von zehn Familien gaben an, nicht das ganze Jahr über genug zu essen zu haben. Die Menschen reduzieren Mahlzeiten, lassen sie ausfallen - kleine Kinder gehen ohne Abendessen hungrig ins Bett.
Eine weitere Hürde ist der fehlende Zugang zu Finanzdienstleistungen. Es existieren weder Banken noch offizielle Kreditmöglichkeiten. Wer investieren möchte - in Dünger, Saatgut oder einfache Werkzeuge - ist auf private Geldverleiher angewiesen. Doch deren Zinsen betragen oft hundert oder mehr Prozent im Jahr.
Hinzu kommen hohe Kosten bei Krankheiten, die durch verschmutztes Wasser verursacht werden. Die meisten Menschen sind auf offene Wasserstellen wie Bäche oder ungefasste Quellen angewiesen. Diese sind häufig verunreinigt, was vor allem bei Kindern zu gravierenden Folgen für ihre Gesundheit und Entwicklung führt.
So schilderten auch Älteste die Situation bei einer Bürgerversammlung, als die Co-Geschäftsführer Claudio Capaul und Michael Kesselring den Bezirk erkundeten. "Ja, wir haben viele Probleme in der Gemeinde", sagte Shibre Tamirat, eine Mutter von vier Kindern. "Aber wir alle wissen, wie man hart arbeitet. Wir wissen, dass dieses Projekt von Menschen für Menschen unsere Chance ist."
Eine Verbesserung der Lebensumstände sei dringend geboten - vor allem für die Frauen, besonders aber für die werdenden Mütter. "Mangelernährung führt oft zu Komplikationen." Das nächste Hospital ist über einen Tagesmarsch entfernt - eine eigentlich beherrschbare Komplikation kann so schnell lebensbedrohlich werden.
Die Nahrung reiche nicht, weil sie unter zu vielen aufgeteilt werden müsse: "Unsere Bevölkerung ist sehr gross und wächst ständig", betonte Shibre Tamirat. "Wir brauchen Mittel und Wege, um das weitere Wachstum einzudämmen."
Keine Verhütungsmittel
Zwar wissen die meisten Frauen um Verhütung. Aber vom Wissen zur Anwendung ist es kein selbstverständlicher Prozess, verdeutlichte die Rednerin. Auch weil die staatlichen Gesundheitseinrichtungen zwar theoretisch Anti-Baby-Pillen und Verhütungsspritzen anbieten, diese aber praktisch oft nicht verfügbar sind. Sie finden den Weg nach Raphe nicht, weil es immer wieder Lücken in der Logistik der Gesundheitsverwaltung gibt. "Auch ich konnte zeitweise keine Verhütungsmittel bekommen", sagte Shibre Tamirat. "Zwei meiner vier Kinder waren ungeplant."
"Um Ernährungssicherheit und Lebensperspektiven zu sichern, entschied sich Menschen für Menschen, in dem vergessenen Bezirk ein breit angelegtes Projekt zu beginnen", erklärt Co-Geschäftsführer Claudio Capaul. "Wir sorgen nicht nur für eine landwirtschaftliche Förderung, sondern auch dafür, dass in den Gesundheitsstationen der Dörfer mit Hilfe unserer Fahrzeuge Verhütungsmittel verfügbar sind." Neben der Pille fragen viele Frauen Verhütungsspritzen nach, die drei Monate lang vor Schwangerschaft schützen.
Das Projekt stellt hochwertiges Saatgut bereit, schult Landwirte in verbesserten Anbaumethoden und unterstützt sie dabei, ihre Felder effizienter zu bewirtschaften. Tagelöhner mit wenig oder ohne Land erhalten Kleinvieh auf der Basis fairer Mikrokredite. Ziel ist es, die Produktivität zu steigern und so Ernährungssicherheit zu schaffen.
Das Projekt repariert Brunnen, baut Quellfassungen und schult Wasserkomitees. So erhalten mindestens 4500 Menschen dauerhaft Zugang zu sauberem Wasser.
Fokus auf Frauen
Ein besonderer Fokus liegt auf der Unterstützung von Frauen. In den Gemeinden entstehen Spar- und Kreditkooperativen. Je rund 100 Frauen organisieren sich darin, um kleine Beträge zu sparen, Mikrokredite zu erhalten und gemeinsam zu wirtschaften. Das schafft Selbstvertrauen, wirtschaftliche Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit.
Zugleich organisiert Menschen für Menschen Aufklärung zur reproduktiven Gesundheit. In jeder Gemeinde werden je zwölf "Peer Educator" ausgebildet. Diese Familienberaterinnen und -berater informieren zu Verhütung, Hygiene, gesunder Ernährung, ökologischer Landwirtschaft und Naturschutz. Auch Shibre Tamirat gehört dazu. Bald wird sie in ihrer Gemeinde von Haus zu Haus gehen, Gespräche führen, Wissen vermitteln, Frauen stärken: "Nur Bildung wird unsere Lage verbessern."
Solidarität aus der Schweiz
Dass das Projekt möglich ist, verdankt sich der Solidarität vieler Menschen in der Schweiz. "Unsere Arbeit - vom Saatgut bis zur Familienberatung - wäre ohne die Unterstützung unserer Spenderinnen und Spender undenkbar", sagt Michael Kesselring. Der Co-Geschäftsführer von Menschen für Menschen verweist auf ein konkretes Beispiel: "Mit 56 Franken können wir aufklären und zwei Familien dauerhaft Zugang zu Verhütungsmitteln ermöglichen. In einer Region ohne funktionierende Gesundheitslogistik ist das oft der einzige Weg, ungewollte Schwangerschaften zu verhindern - und Armut zu überwinden."
Spendenkonto:
Postkonto 90-700 000-4
IBAN:
CH97 0900 0000 9070 0000 4.
Online spenden:
Pressekontakt:
Michael Kesselring
Tel.: +41 (0)43 499 10
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Über Stiftung Menschen für Menschen - Karlheinz Böhms:
Im Geiste des Gründers schafft das Schweizer Hilfswerk Lebensperspektiven für die ärmsten Familien in Äthiopien. Ziel der Arbeit ist es, dass sie in ihrer Heimat menschenwürdig leben können.
Schwerpunkte der einzelnen Projekte sind Frauenförderung, Berufsbildung, Mikrokredite, Kinderhilfe, Familienplanung und landwirtschaftliche Entwicklung. Die Komponenten werden nach den lokalen Bedürfnissen kombiniert und mit sorgfältig ausgewählten einheimischen Partnern umgesetzt.
Quellen:


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