Krankenversicherung - schwierige Solidarität

 

01.11.2003, Krankheit und Tod ist das Schicksal von uns allen, konkret betroffen sind aber vor allem die andern. Und diese konsumieren zu viel Medizin, sind masslos. Ihre Ärzte ordnen unnötige Abklärungen zur Diagnose und überflüssige Therapien an.

Die Patienten kaufen medizinische Leistungen wie im Supermarkt bei ihnen ein, nur kostet es sie am Ende nichts. Denn alles ist bis auf einen kleinen Grundbetrag bereits bezahlt - von der Allgemeinheit. So präsentiert sich vielen vordergründig die Situation im Gesundheitswesen. Ganz anders selbstverständlich wird die Lage flugs beurteilt, wenn man selber oder ein naher Angehöriger auf die Leistungen der Medizin angewiesen ist. Dieses Paradoxon macht die Solidarität in der Krankenversicherung schwierig.

Besonders augenfällig werden die jährlichen Kostensteigerungen im Gesundheitswesen jeweils im Herbst, wenn die Versicherten Post von der Krankenversicherung erhalten. Auch dieses Jahr mussten sie feststellen: Die Krankenkassenprämien steigen erneut, im Durchschnitt zwar mit einer Zunahme um 4,3 Prozent moderater als die Jahre zuvor, aber dennoch liegt der Zuwachs wiederum deutlich über der allgemeinen Teuerung. Manche haben nächstes Jahr wegen Sonderfaktoren (Neueinteilung der Prämienregionen und Reduktion der Rabatte bei den Wahlfranchisen) aber einen happigen Anstieg ihrer Prämie von zum Teil bis zu 40 Prozent hinzunehmen.

Die künftige Finanzierung der medizinischen und pflegerischen Versorgung der Bevölkerung ist eine gesellschaftliche Herausforderung. Das qualitativ hochstehende und leistungsfähige Niveau der Medizin in unserem Land ist dabei unbedingt zu erhalten. Eckpfeiler einer Regelung müssen Freiheit und Selbstverantwortung sowie soziale Gerechtigkeit und Solidarität zwischen Jung und Alt, Gesund und Krank sein, und dies auf der Basis von möglichst viel Wettbewerb. Es ist zwischen diesen ein vernünftiges Gleichgewicht zu finden.

Die solidarische Finanzierung darf die Eigenverantwortung nicht schwächen. Im Gegenteil, es sind Lösungen anzustreben, welche die Selbstvorsorge und Eigenverantwortung stärken. Umgekehrt ist aber auch der Tatsache Rechnung zu tragen, dass gerade bei einer schwereren Erkrankung der Einzelne sehr rasch finanziell an seine Grenzen gelangt. Dabei müssen die Fortschritte in der Medizin, die sich zu einem nicht unwesentlichen Teil auf von der Gemeinschaft finanzierte Forschungsergebnisse stützen, weiterhin allen zugute kommen. Der medizinische Fortschritt ist ein allgemeines Gut - soweit dessen Einsatz der Heilung und Linderung von Krankheiten und Schmerz dient. Es gibt allerdings einen wachsenden Graubereich des Einsatzes von medizinischen Leistungen zugunsten des Wohlbefindens. Hier muss die Selbstfinanzierung zur Regel werden. Die Abgrenzung freilich kann letztlich nur der Arzt im konkreten Fall vornehmen, was die Regelung so schwierig macht.

Nicht nur unter den Bürgern, sondern auch bei den Politikern haben die Reformen im Gesundheitswesen und seiner Finanzierung hohe Priorität. In den Reformdiskussionen dominiert die Frage nach Einsparungen und einer Erhöhung der Effizienz im Gesundheitssystem sowie nach einer tragbaren und gerechten Finanzierung. Dabei darf es nicht darum gehen, notwendige medizinische Leistungen einzelnen Patienten künftig vorzuenthalten. Doch es ist der sparsame, effiziente und somit sinnvolle Einsatz zu gewährleisten. Kleinere Risiken und Kosten sollten, soweit zumutbar, vermehrt vom Einzelnen getragen werden.

Mit Kopfprämien, abgefedert durch das System der Prämienverbilligung, und der Kombination von Franchise und Selbstbehalt sucht die Schweiz in der Krankenversicherung ein Gleichgewicht zwischen selbstverantwortlicher und gemeinschaftlicher Kostentragung. Bedenklich ist freilich die Tendenz, dass angesichts der stetig wachsenden Kosten zunehmend mehr Versicherte auf staatliche Prämienverbilligung angewiesen sind. Im schweizerischen Durchschnitt sind dies inzwischen rund ein Drittel, in einzelnen Kantonen bald gegen 50 Prozent der Versicherten.

Mit der vor dem Abschluss stehenden zweiten Revision des Krankenversicherungsgesetzes hätte das Parlament die Gelegenheit gehabt, den wirksamen Einsatz der notwendigen Medizin und sparsames Verhalten zu fördern sowie dem Wettbewerb im Gesundheitssystem eine bessere Chance einzuräumen. Doch dies ist leichter gesagt als getan. Die hohen Kosten von rund einer Milliarde Franken beispielsweise, welche bei der Finanzierung der Pflege in Heimen und in der Spitex auf die Krankenversicherer entfallen, werden in der zweiten KVG-Revision voraussichtlich noch nicht angepackt. Die Ansätze zur Lockerung des Vertragszwangs zwischen Leistungserbringern und Versicherern sowie zur Förderung von Ärztenetzwerken mit eigener Budgetverantwortung sind eher zaghaft, die Schritte zum transparenteren monistischen Finanzierungsmodell (nur noch eine Zahlstelle) mit dem vorläufigen Übergang zur dual-fixen Spitalfinanzierung (Kantone und Versicherer je zur Hälfte) klein.

Beide Neuerungen werden aber bereits bekämpft (vgl. NZZ 24."10."03). Die Privatspitäler befürworten zwar den Wechsel zum monistischen System, lehnen aber den Zwischenschritt dual-fixe Finanzierung ab. Die vorgeschlagene Lockerung des Vertragszwanges und namentlich die Privilegierung von Ärztenetzwerken mit eigener Budgetverantwortung sind wiederum den Ärzten ein Dorn im Auge. Die Verbindung der Schweizer Ärzte FMH hat bereits vor der Verabschiedung der KVG-Revision im Parlament beschlossen, das Referendum gegen die Vorlage zu ergreifen. Der Präsident der FMH, Hans Heinrich Brunner, gibt zu bedenken, dass künftig die hohen Investitionskosten zur Eröffnung einer neuen Praxis nicht mehr getätigt würden, wenn ein Arzt nicht die Sicherheit habe, dass er einen Vertrag mit den Versicherern erhalte, so dass er auch tatsächlich praktizieren kann. Und schliesslich warnen die Kantone vor den zusätzlichen Kosten, die auf sie zukommen werden bei Einführung des differenzierten Sozialziels in der Prämienverbilligung.

Die voraussichtlich magere Ausbeute der KVG-Revision auf der Seite der Kosteneinsparungen, obwohl die Reform in die richtige Richtung weist, ist bezeichnend. Der Kostenanstieg im Gesundheitswesen hängt letztlich nämlich zu einem grossen Teil mit dem rasanten medizinischen und medizintechnischen Fortschritt und damit mit den enorm gewachsenen Möglichkeiten der modernen Medizin zusammen. So geht nach einer Studie der OECD der rasche Kostenanstieg im Gesundheitswesen vornehmlich auf neue medizinische Techniken und neue Medikamente zurück. Weiter führt freilich auch die Altersstruktur der Gesellschaft zu finanziellen Mehrbelastungen. Wächst der Anteil der älteren Generation an der Bevölkerung, steigen die Gesundheitskosten, obwohl Alter per se keine Kosten verursacht. Demographische Entwicklung und technischer Fortschritt lauten somit auch im Gesundheitswesen die Herausforderungen der Zukunft.

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