Zukunftsweisend - Die Ärzte im Netzwerk |
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08.12.2003, Ärztenetzwerke, die mit Budgets arbeiten, sind in der Schweiz noch nicht weit verbreitet.
Das Herz der Ärztepraxis Me-dix ist nicht etwa der Kaffeeautomat im Wartezimmer, der gratis Kaffee ausspuckt; das Herz der zweistöckigen Gruppenpraxis in Zürich-Wipkingen ist der Qualitätszirkel. Einmal pro Woche treffen sich jeweils 15 Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen, sprechen über schwierige Fälle, tauschen Informationen aus oder entwickeln neue Strategien, um Patientinnen und Patienten zu mehr Selbstverantwortung zu erziehen. «Verantwortung und Mitentscheid spielen vor allem bei den jüngeren Patienten eine immer grössere Rolle», sagt Andreas Weber, Medix-Manager.
Weber zieht eine Studie hervor, «The European Patient of the Future». Darin geht es darum, wer bei den Entscheiden über die ärztlichen Behandlungen ausschlaggebend ist. 25 Prozent der befragten Schweizerinnen und Schweizer geben an, sie wollten selber entscheiden, nur zehn Prozent gaben an, ausschliesslich der Arzt solle entscheiden. Mit dieser Zahl befinde sich die Schweiz an der Spitze, meint Weber. Und die Tendenz sei steigend. «Es ist klar, dass hier eine neue Generation von Patientinnen und Patienten heranwächst - eine Generation, die vermehrt selber entscheiden und die Behandlung nicht einfach dem Arzt überlassen möchte.»
Die Kassen bezahlen im Voraus
Das Prinzip Verantwortung wendet Medix auch bei sich selbst an. Das Ärztenetzwerk funktioniert mit Budgetverantwortung. Das heisst, Anfang Jahr wird für jede Patientin und jeden Patienten ein Budget berechnet, welches die Krankenkassen im Voraus überweisen. Unterschreiten die Ärzte das Budget, verdienen sie mehr; überschreiten sie es, tragen auch sie die Zusatzkosten. Besonders teure Fälle wie beispielsweise eine Krebserkrankung werden mit einer Grossrisikoversicherung abgeschlossen. So «verdient» die Praxis, wenn der Patient nicht ins Spital muss, denn andernfalls müsste auch sie die Spitalkosten aus dem Budget bezahlen. «Was hat der Arzt bis jetzt davon, wenn das Spital Kosten spart?» fragt Weber und antwortet gleich selbst: «Nichts».
Die Patienten bei Medix hätten stets einen Arzt aus dem Netz zur Verfügung, der nachts und am Wochenende arbeitet. Damit unternehme man etwas gegen die Nofalleinlieferungen ins Spital, sagt Weber. Viele Notfälle geschehen nämlich dann, wenn der Hausarzt nicht da ist. «Wir führen Listen mit Problemfällen für den Notfalldienst. So ist jede und jeder von uns über die schwierigen Fälle der anderen informiert. Weil wir untereinander vernetzt sind, verhindern wir unnötige Spitaleinweisungen, da wir jederzeit an die Krankheitsgeschichten aller Patienten herankommen.»
Jeder sein eigener Spezialist
Um ihr Patientenbudget möglichst nicht zu belasten, ist Medix deshalb interessiert, dass die Patienten selbst Verantwortung übernehmen. Beispiel: Herzinsuffizienz. Bei Patienten mit Herzschwäche habe man mittlerweile 70 bis 80 Prozent weniger Spitalaufenthalte, erzählt Weber. Das Ärztenetzwerk hat einen Gesundheitsfachmann angestellt, der die Patienten zu «Fachspezialisten» ausbildet. Für Herzschwäche oder auch für Rückenschmerzen erstellt Medix Broschüren, die Hilfe zur Selbsthilfe geben. «Viele Ärzte operieren zum Beispiel immer noch Diskushernien, von denen 80 Prozent selbst heilen würden». Weber glaubt, dass Patienten auch bei anderen Krankheiten wie Lungenkrebs bei Rauchern oder bei Depressionen von einer Weiterbildung des Arztes profitieren würden - ohne ihn jedesmal gleich aufzusuchen.
«Bei diesen Krankheiten kommt der Arzt oft zu spät», meint Weber. «Wir versuchen mit einem Case Management vorzubeugen, denn es braucht neue Formen der Betreuung.» Telemedizin ist ein Stichwort; aber auch simple Methoden wie das Führen eines Tagebuchs sind weiterhin wichtig. Weber hat auch Patienten, die ihn jeweils kurz über SMS informieren, wie es ihnen geht.
Kontrolle behagt nicht allen
«Das alte Modell lautet immer noch, der Doktor kann machen, was er will. Dies sehen wir auch bei der KVG-Revision: Die Ärzte reagieren immer erst, anstatt vorauszudenken.» Nachvollziehbar ist das für Weber nicht. «Entweder die Kasse entscheidet in Zukunft über uns Ärzte - oder aber wir übernehmen einen Teil der finanziellen Verantwortung und behalten dafür die Behandlungsfreiheit». Dass Ärztenetze mit Budgetverantwortung in der Schweiz noch nicht verbreitet sind, erklärt Weber damit, dass der Aufbau eines Netzes mit viel Arbeit verbunden sei - und dass die gegenseitige Kontrolle nicht allen behage. «Viele haben eben die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt», findet Weber. Dazu gehört unter anderem, dass man zusammensitzt und nicht für sich im stillen Kämmerlein sitzt. Durch den steten Informationsaustausch ist garantiert, dass das Wissen einer Ärztin oder eines Arztes aktuell bleibt. Und wie jedes menschliche Herz muss auch ein Qualitätszirkel stets gut durchblutet sein.
Schützenhilfe für Ärztenetzwerke
Heute Montag befasst sich der Nationalrat ein weiteres Mal mit dem Krankenversicherungsgesetz. Dabei wird es auch um die Stellung der Netzwerke gehen. Die Kommission des Nationalrats beantragt dem Plenum, die Netzwerkärzte gegenüber den anderen zu privilegieren. Sie sollen von der Lockerung des Vertragszwangs zwischen den Kassen und den Ärzten, die von beiden Räten im Grundsatz akzeptiert wurde, ausgenommen werden. Oder anders gesagt: Netzwerkärzte können auf jeden Fall über die Kasse abrechnen.
Auch die Patienten sollen besser fahren, wenn sie sich von Netzwerkärzten behandeln lassen. Sie sollen auch weiterhin nur zehn Prozent der Behandlungskosten selbst tragen müssen, während der so genannte Selbstbehalt für die anderen auf 20 Prozent steigen soll. Der maximale Selbstbehalt beträgt ab nächstem Jahr jährlich 700 Franken.
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