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Kantone errichten neue Blockaden

 

07.09.2004, Eine «erneute Blockade verhindern» wollen die kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren.

Sie stellen dem Reformpaket für die obligatorische Krankenversicherung von Gesundheitsminister Couchepin eigene Vorschläge gegenüber.

Dabei geht es vor allem um Kosten und Kompetenzen. Die Kantone legen zwar richtig den Finger auf einige Schwachstellen von Couchepins Reformvorschlägen - fehlende Zusammenhänge, mangelnde Transparenz und Praktikabilität. Aber in ihrer Angst vor finanziellen Mehrbelastungen und schwindenden Zuständigkeiten errichten die Kantone neue Blockaden. Der populäre Vorschlag, alle Kinder von den Krankenkassenprämien zu befreien, droht am Vorwurf der «Giesskanne» zu scheitern und gefährdet damit insgesamt eine Entlastung von Familien. Mit der entschiedenen Ablehnung der fix-dualen Spitalfinanzierung, die Kantonsbeiträge auch für Privatspitäler vorsieht - und damit den Krankenversicherern erlaubt, Leistungen dort einzukaufen, wo sie am günstigsten sind -, ist auch der Übergang zur Leistungsfinanzierung gefährdet. Bei der Neuordnung der Pflegefinanzierung weisen die kantonalen Gesundheitsdirektoren zwar auf die Schwierigkeit hin, zwischen krankheits- und altersbedingter Pflege zu unterscheiden. Mit ihrer Forderung aber, dass die Kosten für die Pflege zu Hause weiterhin vollständig durch die Krankenversicherer abzudecken seien, schieben sie die Kosten voll auf die Prämienzahler ab. Die vorgesehene Einführung der Vertragsfreiheit zwischen Krankenversicherern und Ärzten begrüssen die Gesundheitsdirektorinnen zwar als «Kosten dämpfend», bezweifeln aber gleichzeitig deren «Praktikabilität und Wirksamkeit». Das «Schwarzpeter-Spiel» geht also weiter: Kosten werden hin und her geschoben, Reformen werden blockiert. - Eleonore Baumberger --- Keine Prämien für Kinder Kantone lehnen die Vorschläge des Bundesrates für die zweite KVG-Revision ab BERN. Um eigene Mehrkosten zu verhindern, präsentieren die Kantone ein eigenes Modell für die Prämienverbilligung: Keine Prämien für Kinder. Zudem fordern sie eine rasche Aufhebung des Vertragszwanges mit den Ärzten.

Yvonne Leibundgut Im Rahmen der zweiten Revision des Krankenversicherungsgesetzes geht es darum, die ansteigenden Gesundheitskosten in den Griff zu bekommen. Der Bundesrat hat, nachdem die Revision im Parlament gescheitert ist, einen neuen Anlauf genommen und diverse Revisionspakete in die Vernehmlassung geschickt. Gestern äusserten sich die Vertreter der Kantone dazu. Nicht überraschend lehnen sie jene Ideen ab, bei denen sie befürchten, vermehrt zur Kasse gebeten zu werden, wie etwa bei der Neuordnung der Prämienverbilligung.

Immer mehr Menschen erhalten von der öffentlichen Hand Geld, um ihre Prämien zu bezahlen. So werden in einigen Kantonen fast die Hälfte aller Versicherten unterstützt. Trotzdem drückt die Prämienlast vor allem Familien aus der Mittelschicht. Um dem entgegenzuwirken, will der Bundesrat ein Sozialziel einführen (siehe Kasten). Die Kantone lehnen dieses jedoch ab. Sie befürchten, dass die anfallenden Mehrkosten von den Kantonen übernommen werden müssten. Deshalb präsentieren die Kantone ihren eigenen Vorschlag.

Einfache Lösung? Die Lösung klingt einfach: Kinder bis 18 Jahre zahlen keine Prämien. Die Idee: Über die Hälfte jener Leute, die auf Prämienverbilligungen angewiesen sind, haben Kinder. Zahlen die Kinder nichts, werden viele Familien so stark entlastet, dass sie keine Prämienverbilligungen mehr brauchen. Und wenn doch, so erhalten sie weiterhin Unterstützung. Bereits Familien mit einem Kind würden davon profitieren. Ausserdem würde der administrative Aufwand erheblich reduziert. Doch diese Lösung hat ihren Preis - und den bezahlen Leute ohne Kinder. Kinderprämien betragen ungerechnet 1,1 Milliarden Franken pro Jahr. Diese sollen neu auf die Erwachsenenprämien überwälzt werden. Das hiesse zwischen 5 und 10 Prozent höhere Prämien für Erwachsene. Der Präsident der Gesundheitsdirektoren Markus Dürr sieht in diesem Vorschlag jedoch eine Korrektur zur jetzigen Situation, in der die Jungen über den Risikoausgleich die Kosten der älteren Versicherten übernehmen. Vier Milliarden würden jährlich so verschoben. Der einzige Haken an der Geschichte sei, dass «jemand aus der Mittelschicht ohne Kinder die Prämien eines Millionärskindes mitfinanziert».

Problem Spitalfinanzierung Auch bei der Neugestaltung der Spital- und der Pflegefinanzierung halten die Kantone die rote Karte auf. Auch hier befürchten sie eine Kostenabwälzung zu ihren Lasten. Bei der dual-fixierten Spitalfinanzierung, wie der Bundesrat sie vorsieht, sollen die Kantone und die Versicherer die Kosten der ambulanten Pflege je zur Hälfte übernehmen. Nach einer Übergangsfrist will der Bund dann zur monistischen Finanzierung übergehen, das heisst, die Finanzierung soll ausschliesslich über einen Kostenträger erfolgen. Neu sollen aber nicht nur öffentliche, sondern auch Privatspitäler finanziert werden. Das führe in diversen Kantonen zu erheblichen Mehrkosten, erklärte die Tessiner Gesundheitsdirektorin Patrizia Pesenti. In Pesentis Kanton steht jedes zweite Spitalbett in einem Privatspital.

Weg mit Vertragszwang Ein einziger Vorschlag des Bundesrates, die Aufhebung des Vertragszwangs mit den Ärzten, würde die Kosten nachhaltig senken helfen, sagte Pesenti. Deshalb sei die Aufhebung des Kontrahierungszwangs nicht mehr weiter zu verschieben, sondern rasch voranzutreiben und umzusetzen.

--- Modelle für Prämien Gesundheitsminister Couchepin schlägt für die Prämienverbilligung ein Sozialziel vor: Demnach sollen Haushalte mit Kindern je nach Einkommenskategorie nicht mehr als 2 bis 10 Prozent ihres Einkommens für Krankenkassenprämien ausgeben, Haushalte ohne Kinder zwischen 4 und 12 Prozent. Um das Ziel zu erreichen, will der Bundesrat zusätzlich 200 Millionen einsetzen. Da die Kantone auf das Modell mit heftigem Widerstand reagierten, weil sie erhebliche Mehrkosten befürchten und bei der Prämienverbilligung Autonomie bewahren wollen, legte die Sozialkommission des Ständerates ein zweites Modell vor: Neu sollen Kinder unter 18 Jahren in Familien mit einem Nettoeinkommen unter 75 000 Franken keine Prämien bezahlen müssen. Auch keine Krankenkassenprämien für Jugendliche in Ausbildung unter 25 Jahren würden Familien mit einem Nettoeinkommen bis 114 000 Franken zahlen. (yet)

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