zweites KVG-Paket: Kassen warnen vor massivem Prämienanstieg

 

17.09.2004, Der von Bundesrat Pascal Couchepin vorgeschlagene Systemwechsel bei der Spitalfinanzierung wird erhebliche Mehrkosten verursachen.

Die Krankenkassen rechnen mit einem Prämienschub von zehn Prozent.

Bei der Spitalfinanzierung hat Gesundheitsminister Pascal Couchepin weit gehend die Vorschläge aus der im letzten Herbst gescheiterten KVG-Revision übernommen. In der gestern präsentierten zweiten Tranche der KVG-Revisionen wird ein Wechsel zur so genannt dual-fixen Spitalfinanzierung vorgeschlagen: Neu sollen Leistungen und nicht die Kosten abgegolten werden. Kantone und Krankenkassen sollen sich diese Aufgabe teilen. Umstritten war und ist der Verteilschlüssel: Der Bundesrat beharrt trotz massiver Kritik der Krankenkassen auf einer hälftigen Kostenübernahme durch die Kantone und die Versicherer. Die neue Regelung verpflichtet die Kantone zudem innerhalb von zwei Jahren zu einer Spitalplanung, die den gesamten Bedarf des Kantons an stationären Kapazitäten abdeckt. Dies unbesehen davon, ob es sich um ein öffentliches oder privates Spital handelt.

Anstieg im Jahr 2007 Die Patientinnen und Patienten werden die Zeche zahlen für diesen an sich auch bei Santésuisse, dem Dachverband der Versicherer, unbestrittenen Systemwechsel. Optimist Couchepin geht von einer Inkraftsetzung Anfang 2006 aus, realistisch ist jedoch eher 2007. «Das wird bei der Einführung einen sofortigen Prämienanstieg von 10 Prozent zur Folge haben», warnt Santésuisse-Sprecher Peter Marbet auf Anfrage. Deshalb habe Santésuisse ja auch eine Aufteilung von 40 Prozent (Kassen) und 60 Prozent (Kantone) vorgeschlagen. Was laut Marbet immer noch zu einer Erhöhung der Prämien von rund 1 Prozent geführt hätte.

Grosser Zahlenstreit Während Santésuisse von Mehrkosten von 1,1 bis 1,2 Milliarden Franken ausgeht (10-prozentige Erhöhung), rechnen die kantonalen Gesundheitsdirektoren mit Mehrkosten zwischen 0,8 und 1,15 Milliarden Franken. Für Hans Heinrich Brunner, Leiter Kranken- und Unfallversicherung beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), sind diese Annahmen jedoch viel zu hoch gegriffen: «Berücksichtigt man alle Faktoren, muss man von einer Bandbreite von 400 bis 800 Millionen Franken ausgehen.» Was immer noch einer Prämienerhöhung von bis zu 8 Prozent entsprechen würde.

Gesundheitsminister Pascal Couchepin betonte gestern vor den Medien, dass dank der damit einhergehenden Transparenz und dem verstärkten Wettbewerb die Kosten aber längerfristig wieder sinken werden. Diesen Effekt bestreitet Marbet nicht, glaubt indes, dass sich diese Einsparungen kaum gross auf die Prämien auswirken dürften.

Neue Medikamentenpolitik Zur Senkung der Medikamentenkosten nahm der Bundesrat einen weiteren weit gehend unbestrittenen Punkt der gescheiterten Revisionsvorlage wieder auf: Er verlangt, dass bei gleicher Eignung das preisgünstigere Medikament (meistens ein so genanntes Generika) verordnet wird. Er lehnt es jedoch zum Ärger der Krankenkassen ab, die Ärzte zu verpflichten, das günstigere Medikament abzugeben. «Laut unseren Schätzungen hätte ein Obligatorium ein Kostensparpotenzial von bis 250 Millionen Franken gebracht», betont Marbet. Mit dem vom Bundesrat gewählten System lassen sich laut Brunner indes auch Einsparungen in der Höhe von zweistelligen Millionenbeträgen erreichen. Man sei sich aber bewusst, dass mit den vorgeschlagenen Massnahmen der Kostenfaktor Medikamente noch nicht nachhaltig gedämpft werden könne. Deshalb schlägt Brunner auch eine neue Medikamentenpolitik vor. Geht es nach seinem Willen, dürften bereits im kommenden Jahr erste Vorschläge auf dem Tisch liegen. Dies ist bitter nötig, stiegen doch die Medikamentenpreise in den letzten fünf Jahren um über 40 Prozent. Inzwischen macht der Anteil der Medikamentenkosten an den Gesamtkosten der Grundversicherung deutlich über 20 Prozent aus.

Lediglich fördern will der Bundesrat Managed Care (Integrierte Versorgungsnetze). Straffere Vorgaben lehnt er klar ab.

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